Die IPM in Essen ist die Weltleitmesse des Gartenbaus – und für acht Azubis von Dinger’s zugleich eine echte Premiere: Sie haben sich entschlossen, ihre Arbeiten für den Wettbewerb zur Gefäßpflanzung anzumelden und da dies ein internationaler Wettkampf ist, bei dem auch ausgebildete Gärtner und überwiegend Floristen teilnehmen, treten sie damit gegen die Besten der Branche an. Als gemeinsames Leitthema haben sie sich die Umwelt ausgesucht. Von Plastikmüll in den Ozeanen über das Insektensterben bis hin zu Upcycling und Klimawandel finden sich die Themen wieder, die insbesondere junge Menschen derzeit bewegen. So sind beeindruckende und sehr kreative Wettbewerbsbeiträge entstanden: gärtnerisch gestaltete Statements zum Zustand der Welt.
„Die Natur erobert zurück“ nennt sich die Arbeit von Sven Hermel, die ein aufgesägtes Kunststoff-Regenrohr und mehrere Plastikflaschen auf simuliertem Wasser arrangiert. „Ich habe mir vorgestellt, was mit den Millionen Tonnen Plastikmüll wohl passieren kann, die derzeit im Meer treiben“, erklärt er. „Dass sich Schlick und Biomasse dort sammeln und einen Nährboden für Pflanzen abgeben, die so ihren Platz in der Natur zurückerobern, fand ich einen interessanten Gedanken.“
Im simulierten Plastikmüll sind Efeu, gelb blühender Winterling, dickblättrige Bubiköpfchen und Schachbrettblumen arrangiert. Nebenan präpariert Richard Barth mit einem Kollegen gerade einen Einkaufswagen, den die beiden mit Folie auskleiden. Die Erde steht schon bereit, Narzissen und andere Blütenpflanzen warten darauf eingesetzt zu werden. Hier entsteht ein größeres Objekt.
Erste Hilfe für Insekten und Natur contra Schottergarten
Redouane Majdi, bei Dinger’s im zweiten Lehrjahr, hat sich für einen alten Erste-Hilfe-Kasten entschieden, den er zum Insektenhotel umgebaut hat. „Der Kasten allein war mir zu klein, also habe ich ihn in eine kleine Landschaft eingesetzt, die ich in einem ausgemusterten Brunnen gestaltet habe. Der improvisierte Kübel sieht beinahe aus wie neu, lag aber auf dem Müll – das fand ich schade. Damit er gut entwässert, habe ich ihn unten angebohrt und eine Drainage eingearbeitet.“
Majdi thematisiert das Insektensterben und hat sich für eine Bepflanzung entschieden, die Insekten früh im Jahr ersten Nektar bietet. Im Mittelpunkt steht eine kleine Hängeweide, die er mit Schmetterlingen bestückt hat, zwischen Moos, Gräsern und Blühpflanzen grüßen eine Biene und ein Vogel als kleine Dekoelemente.
Im Bereich der Produktion vollendet derweil Jost Gerlach sein Werk. Das zweistöckige Arrangement aus einer recycelten Palette beherbergt unten einen Schottergarten mit einem einsamen Lavastein auf dem einige Sukkulenten gedeihen, in der Mitte. „Heimische Arten würden das extreme Klima im Sommer gar nicht aushalten“, erläutert Gerlach. „Unter dem Schotter lasse ich absichtlich die Folie herausgucken um zu zeigen, wie unnatürlich solche Gärten sind. Die Natur ist buchstäblich verdeckt.“
Sein Werk nennt sich entsprechend „Natur verdeckt/entdeckt“ – und auf der oberen Etage sieht man, warum: „Hier habe ich eine naturnahe Alternative für denselben Quadratmeter Fläche eingesetzt. Die Mischbeetbepflanzung ist sehr pflegeleicht, bienenfreundlich und schön anzusehen – perfekt für Vorgärten, in denen es außerdem nicht mehr so heiß wird.“ Winterschneeball, Christrose, Gänseblümchen, Iris und Nelke komponieren ein blühendes, gestaffeltes Bild aus Zwiebelblumen, Stauden und Gehölzen; Efeu und Gräser runden das Ensemble ab.
Die Auszubildenden haben alles selbst entwickelt
Das Thema Upcycling bewegt auch andere Azubis. Lara Krick hat einen aufgeschnittenen und durchlöcherten Kanister als Pflanzgefäß ausgesucht, die Kunststoffhälften aufgebogen und mit Moosen, Gräsern, Efeu, Farnen und passenden Dekorationen arrangiert, die förmlich aus dem Behälter herauszuquellen scheinen. Daneben liegt ein Autoreifen, der die Umfassung eines kleinen Beetes bildet, in dem Schneeglöckchen und Waldbotanik gemeinsam mit kunstvoll eingesetzten Tannenzapfen und Holzfiguren ein harmonisches Bild ergeben – ein Werk ihres Lehrlingskollegen Elias Fries. Rickard Westergard hat sich für einen alten Feuerlöscher entschieden, Pascal Adams einen selbst perforierten Kunststoffzylinder samt Grünpflanzenarrangement als Schaukel aufgebaut.
Die Verbindung von wiederverwendetem Wohlstandsmüll und Natur ergibt ein anschauliches und berührendes Bild von dem, was wir Menschen so schätzen und zugleich zerstören, nämlich die Natur, die doch unsere Lebensgrundlage darstellt. Auf diesen Widerspruch möchten die Azubis hinweisen und haben ihn mit kreativen Ideen sichtbar gemacht. Manche von ihnen sind ironisch-spielerisch, andere wirken rau und dramatisch, mal ist die Botschaft eher subtil, in anderen Arbeiten auf den ersten Blick abzulesen.
Bei all diesen Arbeiten haben die Auszubildenden wenig Hilfe von außen erhalten. Konzeption und Ausführung war ihnen selbst überlassen, nur manchmal brauchten sie einen Tipp für passende Pflanzenarten oder eine helfende Hand bei der Montage. „Wir nehmen nicht teil, weil wir unbedingt einen Preis wollen“, fasst es Hermel zusammen, „denn lernen tun wir dabei in jedem Fall. Und wir bekommen Feedback und eine Bewertung von einer professionellen Jury. Uns hat es gereizt, einfach einmal präsent zu sein und zu zeigen, wozu wir als Azubis fähig sind. Und als Gärtner, denn die meisten Teilnehmer sind ja Floristen.“ Nicht zu verachten sei auch der Trainingseffekt, ergänzt Gerlach: „Wir haben hier ohne Druck arbeiten können. Von der Erfahrung werden wir sicher auch bei den Abschlussprüfungen profitieren.“
Eine Teilnahmeurkunde haben die acht Azubis bereits. Wir drücken ihnen die Daumen – die IPM hat noch bis zum 31. Januar die Tore geöffnet.
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